Welche Bewertungskriterien stehen im Vordergrund?

Die im Rahmen der Literaturrecherche identifizierten Kriterien zur Bewertung von Konzepten und Instrumenten für Zielvereinbarungen wurden zunächst in die übergeordneten Kategorien „Qualitätsanforderungen“ und „Aspekte der Praktikabilität“ gegliedert. Diese wurden anschließend durch den Projektbeirat im Rahmen einer schriftlichen Befragung gewichtet und durch weitere Kriterien ergänzt.

AbschlieĂźend lagen insgesamt 35 Bewertungskriterien vor, die sich folgendermaĂźen auf beide Kategorien verteilen:

Qualitätsanforderungen (n=22 Kriterien)

  • Patientenorientierung (n=5)

  • Prozess-Orientierung (n=7)

  • Funktionalität der Ziele (n=3)

  • Teamorientierung (n=4)

  • Wissenschaftlichkeit (n=3)

Aspekte der Praktikabilität (n=13 Kriterien)

  • Integrierbarkeit in Abläufe der Einrichtungen (n=5)

  • Passung fĂĽr Klientel der Einrichtungen aus Anwendersicht (n=2)

  • Ressourcenaufwand (n=6)

FĂĽr alle Bewertungskriterien wurden Indikatoren zusammengestellt, die auf Abstufungen des ErfĂĽllungsgrades verweisen. Die Indikatoren fĂĽr einen vierstufigen ErfĂĽllungsgrad (sehr gut, gut, gering, gar nicht) wurden im Zuge der Auswertung weiter spezifiziert und im Projektteam abgestimmt.

Die Mitglieder des Projektbeirats gewichteten in einer Befragung die Kriterien auf einer Skala von 1-10. Zur Veranschaulichung der weiteren Operationalisierung der Kriterien beschränken wir uns hier auf diejenigen sieben Kriterien, denen der Beirat das größte Gewicht beigemessen hat (durchschnittlich 8,9 bis 9,1 von 10 Punkten). Diese Kriterien stammen aus verschiedenen o.g. Kategorien, lassen sich jedoch um die Themen „Prozesse und Planung“ (s. Kasten 1.2), „Teamarbeit“ (s. Kasten 1.3) sowie „Patienten- und Teilhabeorientierung“ gruppieren. Die Kästen geben die Einzelheiten zu den Kriterien, den Indikatoren und die entsprechende Literaturbasis wieder.

Kasten 1.2: Kriterien zum Thema „Prozesse und Planung“

Bewertungskriterium

Indikatoren

Literaturquellen

Therapieplanung auf der Basis der Reha-Zielvereinbarungen

Verbindung zwischen Zielen der Rehabilitanden und Verordnung erkennbar

Deutsche Rentenversicherung Bund, 2009

Bewertung des Reha-Erfolges durch Besprechung der Zielerreichung bei Reha-Ende

Bewertung durch Rehabilitand selbst (subjektiver Reha-Erfolg)

Bewertung durch Behandler

Klinische Untersuchungen/Parameter

Charles et al., 2005; Holliday et al., 2005; Hurn et al., 2006; Vogel et al., 1994; Wade, 2009; Zwingmann, 2003

Besprechung von Zielen nach dem Reha-Aufenthalt mit entsprechender Beratung

Nach-Reha-Ziele formuliert

Beratung zur Zielerreichung erfolgt

Einholen von Informationen fĂĽr die Rehabilitanden (z. B. zielbezogene Nachsorgeangebote)

Telefonische Nachsorgeangebote seitens der Klinik vorgesehen

Case-Management inklusive Zielarbeit vorgesehen

Deck et al., 2012; Dudeck et al., 2011; Göhner & Fuchs, 2007; Hanna et al., 2010; Michel & Stamm-Balderjahn, 2012; Vogel et al., 1994

Beim Kriterium der zielbasierten Therapieplanung (s. Kasten 1.2) geht es um klinikinterne Regelungen, die die Zielerreichung betreffen. Entsprechende Transparenz sollte sowohl fĂĽr die Rehabilitanden als auch fĂĽr die Behandelnden hergestellt sein, z. B. Konsequenzen beim Fernbleiben von Anwendungen oder Vorgehen beim Ausfall von Therapien).

Die Bewertung der Zielerreichung zum Entlassungszeitpunkt ist eine logische Konsequenz der Vereinbarung von Zielen zu Beginn – so schließt sich der Kreis. Aus Sicht des Projektbeirates sollte jedoch die Zeit nach dem Reha-Aufenthalt ebenso in den Blick genommen werden. Hier gilt es z. B., wohnortnahe Unterstützungsmöglichkeiten zu finden oder Umsetzungsproblemen vorausschauend zu begegnen.

Kasten 1.3: Kriterien zum Thema „Teamarbeit“

Bewertungskriterium

Indikatoren

Literaturquellen

Beteiligung des Reha-Teams bei der Vereinbarung, Umsetzung, Konzertierung und Anpassung der individuellen Reha-Ziele

Routineaustausch vorgesehen (z. B. in Besprechungen)

Informationsfluss gewährleistet (Ziele für das Team zugänglich)

Hinweise auf Partizipation des Teams (gleichgewichtete Berufsgruppen, gemeinsame Entscheidungen und ggf. Konfliktlösungen)

(Van De Weyer et al., 2010; Hotze & Winter, 2000; MĂĽller et al., 2008; Nijhuis et al., 2007; Playford et al., 2009; Schut & Stam, 1994; Wade, 2009)

Dokumentation und zur VerfĂĽgung stellen der Reha-Ziele fĂĽr das Reha-Team

Aufbewahrungsort der dokumentierten Ziele (Daten) benannt

Zugriffsrechte fĂĽr Teammitglieder spezifiziert

(Dibbelt et al., 2011; Heathfield et al., 1998)

In der Reha-Zielarbeit wird eine umfassende Beteiligung des Reha-Teams gefordert, die weit über die bloße Weiterleitung vereinbarter Ziele hinausgeht (s. Kasten 1.3). Sie bezieht sich u. a. auf die Bewertung der Zielerreichung oder Möglichkeiten der Ergänzung von Zielen. Um dies zu ermöglichen, ist jedoch eine zugängliche Dokumentation die Grundvoraussetzung.

Kasten 1.4: Kriterien zum Thema „Teilhabe- und Patientenorientierung“

Bewertungskriterium

Indikatoren

Literaturquellen

Relevanz fĂĽr den Alltag der Rehabilitanden

Formulierungen an Alltagsaktivitäten orientiert

Bundesarbeitsgemeinschaft fĂĽr Rehabilitation, 2008; Deutsche Rentenversicherung Bund, 2009; Farin, 2008; Vogel et al., 1994

Gemeinsame Vereinbarung der Reha-Ziele zwischen Behandlern und Rehabilitanden

gemeinsam vereinbarte Ziele erfasst

Unterschrift beider Seiten

 

Dibbelt, 2007; Körner, 2009; Loh et al., 2007; Simon et al., 2008

Alltagsrelevanz für Rehabilitanden lässt sich herstellen, indem die biomedizinische Perspektive um die psychische und soziale Perspektive erweitert wird (s. Kasten 1.4). Durch die Orientierung an der ICF rücken Teilhabe, Aktivitäten und relevante Körperfunktionen stärker in den Blick. Jedoch muss mit der Anwendung dieser Klassifikation auch die Teilhabe des Rehabilitanden an der Zielsetzung selbst einhergehen. Es geht um Identifikation der Zielvorstellungen, Dokumentation der ungefilterten Reha-Ziele, Gegenüberstellung und Abgleichung mit den Zielvorstellungen der Klinik und schließlich die gemeinsame Entwicklung von Zielvorstellungen.